re:publica – auf ein Letztes

Damit mein Besuch auf der re:publica hier im Blog auch noch einen Abschluss findet, will ich auf die Reflexion von Johnny Haeusler verweisen, die er in seinem Blog gepostet hat. Einige Kritikpunkte der Veranstaltung kann ich so unterschreiben. Dass es sich trotzdem gelohnt hat dabei zu sein, hat man hoffentlich an meinen Blogposts bemerkt. Meine Highlights waren definitiv Peter Schaar und Esra’a.

Johnny verweist auch auf die Freifunker, die – Asche auf ihr Haupt – alles auf die eigene Kappe nehmen und das desaströse W-Lan-Loch bedauern.

Digital Activism

Dieser Vormittag stand unter dem Zeichen des digitalen Aktivismus. Dazu wurde Esra’a Al Shafei eingeladen, die in Bahrain ein sehr erfolgreiches Portal (mideastyouth.com) betreibt. Dabei setzt sie sich einerseits dafür ein, dass jungen Bloggern aus den arabischen Ländern die Möglichkeit zum freien Bloggen gegeben wird, anderseits organisiert sie Aktionen. Eine davon ist die Befreiung eines ägyptischen Bloggers, der wegen kritischen Äußerungen zum Islam im Gefängnis sitzt. Dazu muss man sagen: Esra ist selbst Muslimin und handelt aber nach dem Motto: Niemand darf aufgrund seiner Meinung eingesperrt werden.

Aktuell gibt es eine Aktion, in der die Regierung des Iran aufgefordert wird, die Unterdrückung von Minderheiten und die politische Verfolgung zu stoppen. Dabei werden richtige Postkarten verschickt: Das Porto und der Versand werden von Esra und ihrem Team organisert. Teilnehmen kann man hier!

Update 05.04.09:

Hier noch ein Video einer Kampagne, in der auf die Problematik hingewiesen wird, dass in Ägypten Personen, die nach Meinung der Regierung die falsche Religionszugehörigkeit haben, keinen Personalausweis bekommen. Ziemlich selbsterklärend:

Digitales Ich

Ein weiterer interessanter Vortrag im Rahmen der re:publica fand gestern (Dienstag) nachmittag statt. Unter dem Schlagwort „Digitales Ich“ hat Tina Günther, die den Sozlog betreibt über das Selbstbild des Users im Netz berichtet.

Mit dem Schlagwort „Signalling“ wird beschrieben, was das Individuum alles anstellt um sich der Netzwelt als „vertrauenswürdiger Akteur“ zu präsentieren. Dabei sind Faktoren, wie beispielsweise das äußeres Erscheinungsbild oder die verwendete Sprache entscheidend. (Wer es ausführlicher will, kann hier die Präsentation sehen.) Günther sieht das virtuelle Ich nicht als Parallelidentität zum realen Ich, sondern als Ergänzung. Sie warnt davor, das Online-Leben zu problematisieren und Ängste zu schüren. Vielmehr sei es Chance, Kreativität zu üben. Der Einzelne erhält die Möglichkeit seine Biografie zu formen und durch Selektion bestimmte Informationen eben nicht zugänglich zu machen.

In genau diese Kerbe schlägt auch ihre Nachfolgerin auf der Bühne: Christiane Link. Diese ist Journalistin, die in England die einzige deutschsprachige Zeitung herausgibt und im Rollstuhl sitzt. In ihrem Blog berichtet sie über ihr Leben mit Behinderung. Link vertritt die Meinung, dass sie als Blogger die Freiheit hat, zu bestimmen, über was sie gerne berichten will. Ihr Statement: „Ich berichte nur, was ich auch jedem auf der Straße erzählen würde.“ Wenn Leute vom behindertengerechten Haus Fotos im Weblog sehen wollen, lehnt sie dies ab: „Ich lade ja auch nicht jeden zu mir nach Hause ein und führe ihn im Haus herum.“ Stimmt natürlich. Trotzdem gesteht sie, dass durch die Popularität des Weblogs die Trennung zwischen realem und digitalem Ich zusehends schwieriger wird und wurde. Eine Aussage von ihr teile ich nicht ganz: Sie sagt, als Arbeitgeber wäre ihr es egal, was ihre Mitarbeiter am Wochenende treiben und wenn von diversen Party-Exzessen Fotos im Netz zu finden sind, sei das die Privatsache des Einzelnen. Ihr Ansicht in allen Ehren, aber ich glaube dennoch, dass es Arbeitgeber gibt, die hier nicht ganz so cool reagieren. Eine Stimme aus dem Publikum behauptete zwar, dass neuste Untersuchungen widerlegen würden, dass Chefs Recherche betrieben und solche „Ausfälle“ negativ für die Karriere wären. Ok, bin ich skeptisch, vielleicht kann mal jemand die Quellen nennen, dann sehen wir weiter. Vor allem sendet das ein falsches Signal an die jungen Menschen, die ihre Medienkompetenz und den Umgang mit persönlichen Daten erst lernen müssen. Zu sagen, es sei ohnehin egal, was man im Netz über sich verbreitet, halte ich hier für gefährlich.

Übrigens: Die re:publica kooperiert ja mit der Aktion Mensch und (ich schätze) in diesem Rahmen wurden gestern die meisten Vorträge simultan in Gebärdensprache übersetzt. Unglaubliche Leistung von den Übersetzern und wirklich eine super Idee!

Aktueller Stand Datenschutz

Immer noch bin ich auf der re:publica und die erste Sitzung am Morgen war heute wirklich sehr spannend. Es ging um den Datenschutz. Kompetenter Sprecher war Peter Schaar, Bundesdatenschutzbeauftragter, der seinen Vortrag mit Leidenschaft für die Inhalte und Anliegen geführt hat. Seine kritische Haltung zu Politik und Wirtschaft kam auch beim Publikum sehr gut an und hat auch für erheblichen Diskussionsbedarf gesorgt. Zusammenfassend ein paar Kernaussagen aus seiner Rede:

Besonders besorgt zeigte sich Schaar über die „beiläufige Überwachung“, das heißt, wenn Daten von Usern freiwillig preisgegeben werden ohne die Konsequenzen zu bedenken oder abschätzen zu können. Als Beispiele nannte er nicht nur den Klassiker der sozialen Netzwerke, sondern eben auch EC-Kartenzahlungen, die Benutzung von Handys und Kundenkarten. Ob es jemals einen „Endzustand der Überwachung“ geben wird, bzw. ob dieser erstrebenswert ist, bleibt für ihn fraglich, jedoch sieht er doch sehr großes Potenzial für die weitere Aufweichung des Datenschutzes. Er verweist auf Großbritannien, wo die Videoüberwachung Normalität ist oder auf Finnland, wo die Überwachung betrieblicher E-Mails tagtäglich passiert.

Aber auch in Deutschland wird Datamining im großen Stil betrieben und er stellt den Staat an den Pranger, die die eigenen Datenschutzgesetze nicht achtet. Aktuell nennt er das Beispiel der „Abwrackprämie“, bei der es verpasst wurde, eine verschlüsselte Übertragung der Daten von Beginn an einzurichten.

Als langfristiges Ziel nennt er die Schaffung von internationalen Datenschutzrichtlinien. Die EU hat bereichts eine EG-Datenschutzrichtlinie (die allerdings von 1995 ist…) aber ein Gesetz auf internationaler Ebene scheitert derzeit nicht nur an politischen sondern vor allem an kulturellen Grenzen: Einige Nationen sehen schlichtweg nicht diesen ausgeprägten Bedarf für den Schutz von Daten. Hier hilft meines Erachtens nur Aufklärung und Schaffung von Awareness, denn gerade Länder, wie Amerika, die uns kulturell wohl ähnlicher sind als beispielsweise China, wehren sich derzeit noch stark gegen stärkere Reglementierungen.

In Deutschland gibt es derzeit einige Ansätze für Gesetzesänderungen, wie beispielsweise die Idee, dass Daten erst dann genutzt werden können, wenn eine Person ausdrücklich zustimmt. Im Moment ist die Gesetzeslage dergestalt, dass man ausdrücklich widersprechen muss, um eine Datenspeicherung zu vermeiden. Klingt paradox, ist aber Realität. Warum es so ein Gesetz nicht schon lange gibt? Schaar führt dieses Problem auf die starken Lobbyisten zurück, die massivst auf die Bundestagsabgeordneten Einfluss nehmen. Er fordert die Anwesenden auf, auch aktiv zu werden und die Stimme zu erheben und an die MdBs heranzutreten und zu bekunden, dass man FÜR größeren Datenschutz ist. Eine gute Idee wie ich finde. Ich glaube, das gehe ich demnächst an. 😉

Auf einen Einwurf aus dem Publikum möchte ich noch kurz eingehen: Eine junge Frau fragte berichtigterweise, warum denn die Sanktionen gegen Personen, die offensichtlich gegen die geltenden Datenschutzrichtlinien verstoßen, so marginal ausfallen. Der Name Mehdorn wird dabei des Öfteren genannt… Auch hier ist Schaar mit der Fragerin völlig einig, betont jedoch, dass den Datenschutzbeauftragten die gesetzliche Handhabe fehlt. Damit solche Verfahren angestoßen werden, braucht es die Staatsanwaltschaft. Warum diese bislang untätig ist, ist auch Schaar ein Rätsel.

So, soviel kurz aus Berlin, mit Laptop auf dem Schoß irgendwo zwischen den Menschenmassen. 😉

Re:publica – Eindrücke des ersten Tages

Früh morgens in Berlin und aufgrund der W-Lan-Probleme im Friedrichstadtpalast verlasse ich mich nicht darauf, dort heute Netzanschluss zu bekommen. Nachdem es gestern schon mit einstündiger Verspätung losging wurde die Keynote von Johnny Häusler ziemlich zügig durchgezogen. Auffallend war, dass man mit allen Mitteln versucht, neue und „innovative“ Anwendungen und Tools zu verwenden. So wurde die Präsentation von Häusler natürlich mit dem iPhone gesteuert, was nicht immer gut geklappt hat und man stellt sich die Frage, warum man nicht einfach die Power Point so durchklickt. Vielleicht bin ich einfach ein bisschen zu sehr Verfechter von „good practices“ – kann ja sein.

Besonders gut gefallen hat mir der Vortrag von John Kelly, der extra aus New York angereist war, um über „Mapping the global blogosphere“ zu sprechen. Seine interaktiven Grafiken, die wunderbar aufzeigen, wie die Verteilung verschiedener Interessenschwerpunkte bei den Bloggern verschiedenen Regionen ist, waren wirklich sehr anschaulich. Zu der deutschen Blogosphäre gibt es zu sagen, dass wir beim Verlinken sehr abhängig von Leitmedien zu sein scheinen. spiegel.de ist – wenig überraschend – führend bei den Verweisen. Während die amerikanische Blogger-Szene (was man auf den Grafiken eben sehr gut darstellen kann) eine breitere Verteilung aufweist, sind Szenen wie Russland oder China viel stärker nach spezifischen Themen aufgeteilt. Damit man einen Eindruck erhält, wie diese Grafiken aussehen, hier ein Beispiel für den Iran. Jetzt stelle man sich das Ganze noch in 3D vor und dann bekommt man eine Vorstellung.

Ein nettes Gimick auf der re:publica ist die Twitter-Wand (übrigens: Twitter ist das Schlagwort…surprise), die, sofern das W-Lan funktioniert, das Gezwitscher, das unter #rp09 versendet wird direkt auf die Leinwand wirft. Man kann auch ganz altmodisch per SMS teilnehmen. Die Diskussion auf der Wand sorgte teilweise für Gelächter im Publikum, weil hinter den Redner auf der Bühne sarkastische Kommentare oder kritische Anmerkungen angebracht werden.

Diskutiert wurde auch immer wieder über die Rolle des Bloggers als Journalist. Da wollen die einen einen Pressausweis haben, während die anderen eine Gewerkschaft für Blogger fordern. Ist ein Blogger Journalist? Wenn man die investigative Komponente des Journalismus in der Vordergrund stellt, dann ist ein „normaler“ Blogger wohl per definitionem weniger Journalist. Aber diese Diskussion kann man wohl auch endlos führen. Für den Blogger aus Leidenschaft ist das ohnehin unwichtig: Wer Spaß am Bloggen hat, der macht das auch ohne das Etikett „Journalist“, oder?