Immer noch bin ich auf der re:publica und die erste Sitzung am Morgen war heute wirklich sehr spannend. Es ging um den Datenschutz. Kompetenter Sprecher war Peter Schaar, Bundesdatenschutzbeauftragter, der seinen Vortrag mit Leidenschaft für die Inhalte und Anliegen geführt hat. Seine kritische Haltung zu Politik und Wirtschaft kam auch beim Publikum sehr gut an und hat auch für erheblichen Diskussionsbedarf gesorgt. Zusammenfassend ein paar Kernaussagen aus seiner Rede:
Besonders besorgt zeigte sich Schaar über die „beiläufige Überwachung“, das heißt, wenn Daten von Usern freiwillig preisgegeben werden ohne die Konsequenzen zu bedenken oder abschätzen zu können. Als Beispiele nannte er nicht nur den Klassiker der sozialen Netzwerke, sondern eben auch EC-Kartenzahlungen, die Benutzung von Handys und Kundenkarten. Ob es jemals einen „Endzustand der Überwachung“ geben wird, bzw. ob dieser erstrebenswert ist, bleibt für ihn fraglich, jedoch sieht er doch sehr großes Potenzial für die weitere Aufweichung des Datenschutzes. Er verweist auf Großbritannien, wo die Videoüberwachung Normalität ist oder auf Finnland, wo die Überwachung betrieblicher E-Mails tagtäglich passiert.
Aber auch in Deutschland wird Datamining im großen Stil betrieben und er stellt den Staat an den Pranger, die die eigenen Datenschutzgesetze nicht achtet. Aktuell nennt er das Beispiel der „Abwrackprämie“, bei der es verpasst wurde, eine verschlüsselte Übertragung der Daten von Beginn an einzurichten.
Als langfristiges Ziel nennt er die Schaffung von internationalen Datenschutzrichtlinien. Die EU hat bereichts eine EG-Datenschutzrichtlinie (die allerdings von 1995 ist…) aber ein Gesetz auf internationaler Ebene scheitert derzeit nicht nur an politischen sondern vor allem an kulturellen Grenzen: Einige Nationen sehen schlichtweg nicht diesen ausgeprägten Bedarf für den Schutz von Daten. Hier hilft meines Erachtens nur Aufklärung und Schaffung von Awareness, denn gerade Länder, wie Amerika, die uns kulturell wohl ähnlicher sind als beispielsweise China, wehren sich derzeit noch stark gegen stärkere Reglementierungen.
In Deutschland gibt es derzeit einige Ansätze für Gesetzesänderungen, wie beispielsweise die Idee, dass Daten erst dann genutzt werden können, wenn eine Person ausdrücklich zustimmt. Im Moment ist die Gesetzeslage dergestalt, dass man ausdrücklich widersprechen muss, um eine Datenspeicherung zu vermeiden. Klingt paradox, ist aber Realität. Warum es so ein Gesetz nicht schon lange gibt? Schaar führt dieses Problem auf die starken Lobbyisten zurück, die massivst auf die Bundestagsabgeordneten Einfluss nehmen. Er fordert die Anwesenden auf, auch aktiv zu werden und die Stimme zu erheben und an die MdBs heranzutreten und zu bekunden, dass man FÜR größeren Datenschutz ist. Eine gute Idee wie ich finde. Ich glaube, das gehe ich demnächst an. 😉
Auf einen Einwurf aus dem Publikum möchte ich noch kurz eingehen: Eine junge Frau fragte berichtigterweise, warum denn die Sanktionen gegen Personen, die offensichtlich gegen die geltenden Datenschutzrichtlinien verstoßen, so marginal ausfallen. Der Name Mehdorn wird dabei des Öfteren genannt… Auch hier ist Schaar mit der Fragerin völlig einig, betont jedoch, dass den Datenschutzbeauftragten die gesetzliche Handhabe fehlt. Damit solche Verfahren angestoßen werden, braucht es die Staatsanwaltschaft. Warum diese bislang untätig ist, ist auch Schaar ein Rätsel.
So, soviel kurz aus Berlin, mit Laptop auf dem Schoß irgendwo zwischen den Menschenmassen. 😉