Zahlendreher

Am Samstag hatte ich ein Erlebnis der anderen Art. Ich habe im Moment einen Deal mit einer Freundin laufen, die ein Auslandssemester in Australien verbringt. Sollte ich im Lotto gewinnen, dann komm ich sie besuchen. Fairer Handel wie ich finde und deshalb habe ich spontan an einem Lotto-Geschäft Halt gemacht um mein Glück auf die Probe zu stellen. Dabei habe ich kurzzeitig alle Regeln der Stochastik vergessen, sonst hätte es mir den Spaß ja gleich verdorben. Im Geschäft habe ich dann sorgfältig meine Zahlen auf zwei Kästchen aufgeteilt – natürlich unter Berücksichtigung aller zur Verfügung stehenden Glückszahlen und sonstigen spontanen Eingebungen, die mir das Ticket nach down-under gesichert hätten. Richtig: Konjunktiv. Aber ich will die Dramaturgie der Story nicht durcheinander bringen. Als ich dann zahlen wollte, sieht mich die schätzungsweise 16-jährige Angestellte des Ladens kritisch von oben bis unten an und sagt: „Sind Sie denn überhaupt schon 18?“ Ich hab mich kurz umgedreht, vielleicht spricht sie ja mit der Person hinter mir – aber da stand niemand. Darauf ich: „Ähm..ich werde 27.“ Mit hochgezogener Augenbraue versuchte sich der Teenager als Lügendetektor und nachdem ich gemerkt habe, so komm ich nicht an meinen Lottoschein, fügte ich noch ein „Ich kann aber auch gerne meinen Ausweis zeigen“ an. Ja, das wäre ihr lieber sagte der Jungspund und ich musste also tatsächlich meinen Ausweis hervorkramen. So richtig überzeugt schien sie dann zwar immer noch nicht zu sein, aber weitere Kontrollmechanismen standen ihr gerade wohl nicht zur Verfügung, worauf sie den Lottoschein endlich entgegennahm. Ist das zu fassen? Ist das denn zu glauben? Und was ich auch seltsam finde: Warum siezt sie mich, wenn sie mich für annähernd gleichaltrig schätzt? So richtig irrwitzig wird die Geschichte, wenn man weiß, dass es so eine Art running gag im Freundeskreis ist, sich über mein Alter kaputt zu lachen. Haha..Bald 30 usw. Die Welt steht Kopf. Und für Australien muss ich mir jetzt definitiv Plan B überlegen.

Was nicht passt, wird passend gemacht!

Ich werde alt. Das allein ist ja nun keine neue Tatsache. Das gerade begonnene Semester hat mir allerdings wieder einmal brutal den Spiegel vorgehalten. Lauter „Ersties“ rennen orientierungslos über den Campus auf der Suche nach Hörsaal, Mensa und Bib. Bei der Vorstellung meines Studiengangs am Mittwoch war es dann soweit: In unserem Timeslot zur Vorstellung der Fachschaft durften wir in ca. 50 gespannt dreinblickende Gesichter schauen. Diesen Zustand muss man genießen, denn schon bald pendelt sich der Uni-Alltag ein und auch der Sprecher im Hörsaal verliert zunehmend an Faszination… aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls waren die Zuhörer unverschämt jung! So jung, dass ich gleich mal rechnen musste: Die Geburtenjahre gehen teilweise bis 1988 oder 1989. Hallo? Das geht doch nicht. Das ist, na ja, … viel zu jung! Oder ich bin tatsächlich so alt. Nein, ich hab’s: Die Kognitive Dissonanz kommt daher, dass ich mich einfach noch viel zu jung fühle (somit die anderen geschätztes Grundschulalter haben). Man kann sich die Welt also tatsächlich schön reden! Top! Das gefällt mir. „Ich mach mir die Welt, widde, widde, wie sie mir gefällt.“ Na, klingelt es? Hat das jetzt auch was mit Konstruktivismus zu tun? Hm…So ganz genau weiß ich das noch nicht. Aber dafür beleg ich dieses Semester ein Seminar zum Thema. Deshalb gibt es vielleicht bald an dieser Stelle eine Auflösung in Sachen: Kann man sich einbilden gar nicht sooooooooo alt zu sein?