Agenturleben

Bei meinem Vorstellungsgespräch wurde ich gefragt, warum ich denn gerne in eine Agentur möchte. Die Frage allein zeigt schon ganz gut auf, dass das Selbstbild einer Agentur sich von dem eines Unternehmens unterscheidet. Damals habe ich geantwortet, dass es für mich keinen Unterschied macht, ob ich in einem Unternehmen oder einer Agentur arbeite – Geld verdienen wollen schließlich alle und hart gearbeitet wird wohl überall. Für mich lag der Unterschied, den man an der Oberfläche wahrnimmt, in der Kultur: Meine Vermutung war, dass das gemeinsame Arbeiten und die Dynamik sich doch von einem Konzern unterscheiden müssten. Tja, what can I say… nach drei Monaten Agenturleben, kann ich sagen, dass mich mein Gefühl nicht getäuscht hat.

Grundsätzlich sind alle per Du. Egal, ob Vorstand oder Praktikant, jeder spricht sich mit Vornamen an. Oft gibt es ja das Argument, dass man mit einigen Leuten gar nicht per du sein will. Da hat ja jeder seine eigene Meinung, ich kann nur sagen, bei uns funktioniert das sehr gut und ich habe auch nicht das Gefühl, dass das fehlende SIE mit einem mangelnden Respekt einhergeht. Ganz im Gegenteil. Außerdem kenne ich das auch schon in Teilen von der Uni – da haben auch schon immer einige verwundert geguckt, als sie hörten, dass ich als Hiwi meine Professorin mit „Du“ anrede.

Dadurch, dass die Belegschaft aus jungen und jungebliebenden Leuten besteht, muss ich manchmal schon überlegen, ob ich jetzt noch in der Arbeit bin… Eine Tischtennisplatte und ein Kickertisch für die Belegschaft, jeden Morgen Frühstück und zwischendurch andere kleine oder größere Events, die uns bei Laune halten. Wir arbeiten hart und viel, aber dafür wird auch versucht, den Arbeitsalltag so nett wie möglich zu gestalten. Wenn an Ostern 200 Schokohasen auf die Mitarbeiter warten und es dazu – Überraschung!! – ein Osterfrühstück gibt, dann ist das schon nicht selbstverständlich.

Wer über den neuesten Schabernack auf dem Laufenden gehalten werden will, der kann ja mal hier vorbeigucken: Radicalmonday.

Also, Fazit: Agentur kann ich auch. Obwohl ich zugeben muss, dass ich es auch nicht schlimm fand, als meine Chefin neulich meinte: „Du bist halt nicht so ein Agenturmäuschen.“ Stimmt nämlich, Mäuschen kann ich nicht. 😉

Wirtschaft vs. Wissenschaft

Seit zwei Monaten (unfassbar!) bin ich nun also in den „Klauen der Wirtschaft“ (ich glaube so oder ähnlich hat es Gabi mit einem Augenzwinkern mal ausgedrückt, ich will sie aber nicht falsch zitieren, deshalb liegt die Betonung auf  „ich glaube“) und ich muss sagen: Mir gefällt es sehr gut!

Es ist schon etwas anderes, wenn man für die tägliche Arbeit relativ zeitnah und unmittelbar Feedback vom Kunden oder vom Team erhält.  In der Wissenschaft arbeitet man oft Wochen, Monate oder Jahre auf ein Ergebnis hin, von dem man oft auch zudem gar nicht weiß, wie das im Detail aussieht. Ergebnisorientierung liegt beiden Disziplinen zugrunde, aber der zeitliche Fokus ist m.E. doch stark unterschiedlich. Was mir gut gefällt, sind die gefühlt kürzeren Entscheidungswege und -zyklen. Während man an der Uni zu großen Teilen auf das Schreiben von Anträgen angewiesen ist, wo man heute festlegt, welche Ressourcen man für ein potenzielles Projekt in X Monaten braucht, passiert es mir in meiner derzeitigen Arbeitsstelle oft, dass ich morgens etwas plane oder vorschlage und zwei Stunden später in die konkrete Umsetzung gehen kann. Einschränkend muss man natürlich sagen, dass es auch vom Unternehmen und den dortigen hierarchischen Strukturen abhängt, wie Entscheidungen getroffen werden. In anderen Firmen können Entscheidungsprozesse wahrscheinlich noch länger dauern, als die Antragstellung bei der DFG o.ä. Institutionen.

Auch der konkrete Ablauf eines Arbeitstages hat sich doch ganz schön geändert: An der Uni kann man gerne mal einen ganzen Tag denkend über einem Blatt Papier verbringen und sich seinen Gedanken zu Problemstellungen hingeben. Mein jetziger Arbeitstag ist dagegen geprägt von Meetings, Telkos, Kundenterminen und Projektsteuerung. Beide Formen des Arbeitens haben ihre Berechtigung. Jetzt werden sicher die Kollegen aus dem Wissenschaftsbereich einwerfen, dass sie genauso Skype-Konferenzen etc. abhalten. Kenne ich ja alles gut. Aber mit der Intensität und der Zielorientierung (Zeit ist Geld 😉 ) wie ich es jetzt kennengelernt habe, ist das allerdings nicht zu vergleichen.

Aber in meinem Herzen bin ich natürlich immer noch stark mit der Wissenschaft verbunden, auch wenn mir im Alltag (gerade jetzt in der „Neuorientierung“) ein bisschen die Zeit fehlt. Deshalb habe mich aber sehr gefreut, dass ich durchaus meine Kompetenzen aus meinem „Wissenschafts-Alterego“ im Berufsalltag anwenden kann (u.a. habe ich ein Usability Lab organisiert). So kann ich beide Leidenschaften verbinden und verliere nicht komplett den Anschluss zu Forschung und Lehre.