Die Ökonomisierung der Bildung

Gestern abend war ich in München, um am dritten Themenabend der Reihe „Ist die Ökonomisierung der Bildung ökonomisch?“ teilzunehmen. Bei den vorausgegangenen Abenden ging es um die Bereiche Kindergarten und Schule, gestern stand die Universität auf der Agenda.

Prof. Fritz Böhle von der Uni Augsburg gab zunächst einen knappen Überblick, was man unter Ökonomisierung im Kontext Universität verstehen kann, z.B. die Anpassung des Studiums and die Bedürfnisse des Arbeitsmarkt, die Nachfrage der Unternehmen und die Ausrichtung auf unmittelbare Verwertbarkeit. Dann wurde es ernst: Können diese ökonomischen Prinzipien auch auf die universitäre Bildung übertragen werden?

Ein kurzes Rollenspiel mit Videoausschnitten stellten die Probleme, vor der Lehrende und Studierende stehen noch einmal anschaulich dar.

Prof. Wolfgang Herrmann und Prof. Jürgen Mittelstraß (der von der gleichnachmigen Kommission) stellten dazu am Anfang ihre zunächst gegensätzlichen Positionen dar. Am Ende der Diskussion waren sie sich zwar dann eigentlich einig, aber gut.

Die anschließende Diskussion des überwiegend männlichen Publikums war leider eher eine Aneinanderreihung von Monologen – obwohl es einige sehr spannende Ansätze gab, die aber aufgrund von Zeitdruck und nur zu zögerlichem Eingreifen der Moderatorin nicht weiter verfolgt werden konnten. Schwerpunkte der Gespräche waren natürlich der Bologna-Prozess und die damit einhergehende Umstellung auf Bachelor-/Masterstudiengänge. Spannend war dabei die Frage, wie es sein kann, dass externe Ratingagenturen ohne wissenschaftlichen Weitblick über die Existenz eines Studiengangs entscheiden können. Dazu passend war außerdem die Autonomie der Lehrenden ein heißes Thema.

Für mich persönlich stellt sich die Frage, ob die Universität sich zusehends zu einem wirtschaftlichen denkenden und agierenden „Unternehmen“ mit Bildungsschwerpunkt entwickelt eigentlich gar nicht mehr. Die Frage ist doch vielmehr, wie man mit diesen geänderten Bedingungen umgeht! Gibt man der „Exekutive“ an den Unis, das heißt Professoren und Lehrenden den nötigen Handlungsspielraum, um ihre Lehre und die Sorge um den Haushalt in einen gesundes Gleichgewicht zu bekommen oder verlangt man Effizienz und Effektivität ohne die dafür nötigen Grundlagen zu schaffen?

Lösen konnten wir das Problem gestern abend zwar nicht, allerdings war es dennoch interessant und vor allem ein schöner Abschluss der vom Verein Ökonomie und Bildung organisierten Diskussionsreihe.

Migration, Integration und Bildung

Gestern war ich auf einem Vortrag von Prof. Dr. Klaus J. Bade, der auf Einladung des Zentralinstituts für didaktische Forschung und Lehre an der Uni gesprochen hat. Der Vortrag trug den Titel „Migration, Integration und Bildung“ und fand im Rahmen einer Lehrerfortbildungsreihe statt. Da Bildung nicht nur Lehrer was angeht, habe ich mich unters Volk gemischt und dem Ausführungen des emeritierten Professors der Universität Osnabrück gelauscht. So viel gleich vorweg: Es war ein äußerst kurzweiliger Vortrag, denn der gekonnte Redner hat durch anschauliche Beispiele und Anekdoten aus diversen Gremien aus Politik und Wissenschaft für einen spannenden und interessanten Abend gesorgt.

Der Vortrag war in drei Teile gegliedert:

  1. Vom Fremdeln in historischer Sicht
  2. Migration und Migrationspolitik
  3. Integration und Integrationspolitik

Zu 1.: Zuerst ging es um das Fremde an sich. Wer ist wann fremd und warum fühlt er sich so? Ein paar Insights aus seiner Familienhistorie machten deutlich, dass es kaum jemand in Deutschland gibt, der nicht irgendeinen Migrationshintergrund hat – deutsche Staatsangehörigkeit hin oder her. Außerdem hat er versucht den Mythos Integration als spaßige Angelegenheit zu entzaubern – vielmehr sei Integration ein anstrengender Kultur- und Lernprozess.

Zu 2.: Hier wurde die steigende Zahl der Deutschen, die ins Ausland abwandert, thematisiert. Diese Zahlen sind in den letzten Jahren steigend, obwohl die Wirtschaft in den letzten Jahren (klammern wir die aktuelle Entwicklung aus) angestiegen ist. Seine These ist, dass die Deutschen aus den selben Gründen ins Ausland gehen, weswegen die Zuwanderer ausbleiben. Richtig gelesen: So viele kommen überhaupt nicht nach. Zumindest nicht solche, die hochqualifiziert und motiviert sind. Deutschland eilt der Ruf voraus überreguliert zu sein, eine hohe Neidkultur zu haben, wenig Aufstiegschancen und eine zu starke Abgabenbelastung gepaart mit wenig beruflicher Freiheit zu bieten. Dazu kommt, so Bade, das Problem, das Akademiker aus dem Ausland extreme Probleme mit der Anerkennung ihrer Diplome oder Examina haben und hier um zu Überleben ein Dasein beispielsweise als Taxifahrer fristen müssen.

Zu 3.: Aus den diversen Definitionen von Integration, wählt Bade die folgende für sich: Möglichst chancengleiche Teilhabe an den Zentralbereichen des gesellschaftlichen Lebens. Dabei gilt das Motto Partizipation nicht Assimilation. Gut fand dich die Aussage, dass Integration ein unauffälliger Prozess ist, den man nur wahrnimmt, wenn er scheitert. Das deutsche Schulsystem beleuchtet er recht kritisch und nennt Beispiele von Studien, die belegen, dass die Reformakzeptanz von Eltern in Bildungsfragen z.B. in Punkto Gesamtschule oder Förderung von Schülern mit Migrationshintergrund weitaus höher ist, als die Politik uns vorgibt. Fehlt es uns an mutigen Politikern? Augenscheinlich. Die Folgen, die sich aus der Bildungsmisere ergeben sind zum einen, dass hochqualifizierte Absolventen mit Migrationshintergrund vermehrt in ihre Ursprungsländer zurückgehen (auch wenn sie die meiste Zeit ihres Lebens in Deutschland verbracht haben), weil die Mehrheitsgesellschaft das Bild von Deutschland als Heimat nicht glaubwürdig machen konnte. Zum anderen sieht er eine wachsende Aggressivität auf uns zukommen, die eine Folge der strukturellen Benachteiligung ist.

Was tun sprach Zeus?

1. Schaffung von positiven Leitbildern, d.h. Zuwanderung darf nicht als Bedrohung angesehen werden

2. Verständnis für kulturelle Heterogenität

3. Einübung von kultureller Anerkennung

Puh…ich hoffe, ich konnte zumindest einen Teil meiner seitenlangen Notizen zu dem Vortrag hier konzentrieren. Während des Abends zeigte sich des Öfteren, dass das Bild des Ausländers oft mit dem Türken gleichgesetzt wird. Meine Frage, worin er dieses Problem begründet sieht (es kann ja nicht nur der Islam sein) wurde leider nicht befriedigend beantwortet – einziger Wermutstropfen eines ansonsten gelungenen Abends.

Ein Interview mit Bade gibt es hier und auch hier.