Digital Activism

Dieser Vormittag stand unter dem Zeichen des digitalen Aktivismus. Dazu wurde Esra’a Al Shafei eingeladen, die in Bahrain ein sehr erfolgreiches Portal (mideastyouth.com) betreibt. Dabei setzt sie sich einerseits dafür ein, dass jungen Bloggern aus den arabischen Ländern die Möglichkeit zum freien Bloggen gegeben wird, anderseits organisiert sie Aktionen. Eine davon ist die Befreiung eines ägyptischen Bloggers, der wegen kritischen Äußerungen zum Islam im Gefängnis sitzt. Dazu muss man sagen: Esra ist selbst Muslimin und handelt aber nach dem Motto: Niemand darf aufgrund seiner Meinung eingesperrt werden.

Aktuell gibt es eine Aktion, in der die Regierung des Iran aufgefordert wird, die Unterdrückung von Minderheiten und die politische Verfolgung zu stoppen. Dabei werden richtige Postkarten verschickt: Das Porto und der Versand werden von Esra und ihrem Team organisert. Teilnehmen kann man hier!

Update 05.04.09:

Hier noch ein Video einer Kampagne, in der auf die Problematik hingewiesen wird, dass in Ägypten Personen, die nach Meinung der Regierung die falsche Religionszugehörigkeit haben, keinen Personalausweis bekommen. Ziemlich selbsterklärend:

Digitales Ich

Ein weiterer interessanter Vortrag im Rahmen der re:publica fand gestern (Dienstag) nachmittag statt. Unter dem Schlagwort „Digitales Ich“ hat Tina Günther, die den Sozlog betreibt über das Selbstbild des Users im Netz berichtet.

Mit dem Schlagwort „Signalling“ wird beschrieben, was das Individuum alles anstellt um sich der Netzwelt als „vertrauenswürdiger Akteur“ zu präsentieren. Dabei sind Faktoren, wie beispielsweise das äußeres Erscheinungsbild oder die verwendete Sprache entscheidend. (Wer es ausführlicher will, kann hier die Präsentation sehen.) Günther sieht das virtuelle Ich nicht als Parallelidentität zum realen Ich, sondern als Ergänzung. Sie warnt davor, das Online-Leben zu problematisieren und Ängste zu schüren. Vielmehr sei es Chance, Kreativität zu üben. Der Einzelne erhält die Möglichkeit seine Biografie zu formen und durch Selektion bestimmte Informationen eben nicht zugänglich zu machen.

In genau diese Kerbe schlägt auch ihre Nachfolgerin auf der Bühne: Christiane Link. Diese ist Journalistin, die in England die einzige deutschsprachige Zeitung herausgibt und im Rollstuhl sitzt. In ihrem Blog berichtet sie über ihr Leben mit Behinderung. Link vertritt die Meinung, dass sie als Blogger die Freiheit hat, zu bestimmen, über was sie gerne berichten will. Ihr Statement: „Ich berichte nur, was ich auch jedem auf der Straße erzählen würde.“ Wenn Leute vom behindertengerechten Haus Fotos im Weblog sehen wollen, lehnt sie dies ab: „Ich lade ja auch nicht jeden zu mir nach Hause ein und führe ihn im Haus herum.“ Stimmt natürlich. Trotzdem gesteht sie, dass durch die Popularität des Weblogs die Trennung zwischen realem und digitalem Ich zusehends schwieriger wird und wurde. Eine Aussage von ihr teile ich nicht ganz: Sie sagt, als Arbeitgeber wäre ihr es egal, was ihre Mitarbeiter am Wochenende treiben und wenn von diversen Party-Exzessen Fotos im Netz zu finden sind, sei das die Privatsache des Einzelnen. Ihr Ansicht in allen Ehren, aber ich glaube dennoch, dass es Arbeitgeber gibt, die hier nicht ganz so cool reagieren. Eine Stimme aus dem Publikum behauptete zwar, dass neuste Untersuchungen widerlegen würden, dass Chefs Recherche betrieben und solche „Ausfälle“ negativ für die Karriere wären. Ok, bin ich skeptisch, vielleicht kann mal jemand die Quellen nennen, dann sehen wir weiter. Vor allem sendet das ein falsches Signal an die jungen Menschen, die ihre Medienkompetenz und den Umgang mit persönlichen Daten erst lernen müssen. Zu sagen, es sei ohnehin egal, was man im Netz über sich verbreitet, halte ich hier für gefährlich.

Übrigens: Die re:publica kooperiert ja mit der Aktion Mensch und (ich schätze) in diesem Rahmen wurden gestern die meisten Vorträge simultan in Gebärdensprache übersetzt. Unglaubliche Leistung von den Übersetzern und wirklich eine super Idee!