Ich glaube, mein Schwein pfeift!

Am Samstag war ich auf einer Hochzeit. Die war in zweifacher Hinsicht besonders: Zum einen, weil es eine sehr wichtige Person war, die geheiratet hat, zum anderen, weil es eine Mittelalterhochzeit war. Das Brautpaar hatte einen Wunsch: Alle sollen in mittelalterlicher Gewandung kommen und auf einer Burg standesgemäß Hochzeit feiern. Dieses Ereignis war wunderbar geeignet, um ein bisschen Feldforschung zu betreiben. Die Hochzeitsgesellschaft hat in ihren Kostümen definitiv für Furore gesorgt. Ganze Touristenschwärme haben angehalten und wie wild fotografiert, weil sie wohl dachten, wir gehören irgendwie zum Burginventar. Dabei war es schön zu beobachten, wie die Gruppe sich über die Kleidung sofort als Einheit definierte. Alle geladenen Gäste waren der Aufforderung nach Kostümierung nachgekommen – fast alle. Diejenigen, die es nicht getan hatten, fielen sofort auf und wurden kritisch beäugt und waren irgendwie nicht Teil des Ganzen. Betrachtet man das mal aus einem soziologischen Blickwinkel, ist das eigentlich schon kurios, wie viel Wert auf Kleidung gelegt wird und welche Konsequenzen diese u.U. für die Anerkennung in der Gesellschaft haben kann.

Eine weitere Beobachtung, die ich auf der Hochzeit machen konnte, war die Entstehung und die Verbreitung von Nachrichten. Kurzer Hintergrund: Zum Essen gab es u.a. Spanferkel. Die „aaahs“ und „oohs“ der Gäste beim Anblick der sich drehenden Sau bei der Ankunft auf der Burg ließen ahnen, dass das wohl gut ankommen würde. Irgendwann kam der Vater des Bräutigams zur Braut und zu mir und sagte, dass „es ein Problem gibt“. Das Spanferkel ist gestohlen worden. Entsetztes Gesicht bei der Braut (von mir weniger, aber mir war das Schwein weniger wichtig 😉 ). Dann wurde der Bräutigam benachrichtigt, dem man dabei zusehen konnte, wie ihm die Gesichtszüge entglitten. Plötzlich kam Bewegung in die Masse. Wie ein Lauffeuer sprang die Nachricht der geklauten Hauptspeise von Tisch zu Tisch. Bräutigam und Entourage machten sich auf den Weg, um das Schwein wiederzufinden. Ich habe tatsächlich die Wichtigkeit des Schweines für das Glück der Anwesenden unterschätzt: Wie auf einmal ein Raunen durch den Saal ging und welche Dinge auf einmal erzählt wurden: Ich habe spontan gelernt, dass im Mittelalter immer das Schwein als Gag gestohlen wurde. Das mit der Braut kam erst später. Hätte man doch wissen müssen! Und jetzt ist das Schwein weg. Auch diese  Nachricht war binnen kürzester Zeit an alle Tische getragen. Nachdem bereits fünf Leute mit mir in Verhandlungen über meine vegetarische Hauptspeise getreten waren, kam dann endlich die Erlösung: Alles nur ein Gerücht. Geschickt vom Vater des Bräutigams insziniert, wurde aus einem nie verschwundenen Schwein fast ein Politikum. Wunderbar anzusehen, wie schnell ein Gerücht kursieren kann und welche Ausmaße es innerhalb von 5 Minuten annimmt. Übrigens  wollte sich nach der Auflösung des vermeintlichen Diebstahls keiner mehr finden lassen, der die angebliche Tradition des „Schweinklaus“ im Mittelalter behauptet hatte. 🙂

Fazit: Ein sehr lehrreiches Wochenende, das ich als Burgfräulein verbracht habe. Solche Fotos bekommt man sicherlich kein zweites Mal im Leben! 🙂 Und by the way: Wer hat eigentlich das Gerücht in die Welt gesetzt, dass ich was gegen Rollenspiele hätte? 😉

4 Kommentare zu “Ich glaube, mein Schwein pfeift!

  1. Herr Rau sagt:

    Samma… wenn die Braut Referendarin ist, dann ist sie vieleicht die Schwester meiner Schwägerin (und die und meine Eltern waren dann auch auf der Hochzeit). Jedenfalls hat die am Wochenende auch in Gewandung geheiratet.

    • taragramm sagt:

      Das ist ja lustig. 🙂 Ja, das kann alles gut sein. 😉 Dann kenne ich Deine Schwägerin auch ziemlich gut! 🙂 Ich bin die Trauzeugin, falls Du mal Fotos siehst. Ich glaube Dein Vater hat gefilmt, oder?

      Liebe Grüße, Tamara

  2. Frank Vohle sagt:

    Sehr schöner Beitrag! Mittelalterhochzeit kannte ich noch nicht, da schmeckt die Sau doppelt gut – wenn sie denn da ist. Deine Anmerkung zum dress code ist auch interessant. Wenn man das auf dem Kölner Karneval, einer Silvester- oder Geburtstagsfeier auch so macht, ob dann die „strafenden Blicke“ genauso streng sind? Liebe Grüße Frank

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