Thinking…

Schon unglaublich, was sich derzeit angesichts des Todes von Michael Jackson in den Medien abspielt. In alter Gewohnheit nach dem Aufwachen als Erstes das Radio anzuschalten, hat es mich auch diesen Morgen kalt erwischt. „Michael Jackson ist tot.“ So schnell ist man selten wach. Aber warum ist das so? Ich bin weder ein Fan, noch hatte ich in irgendeiner Weise einen persönlichen Bezug zu MJ. Natürlich kenne und schätze ich seine Musik, aber das mache ich bei vielen anderen Künstlern schließlich auch. Aber das Thema bewegt – auch wenn man es nie gedacht hätte.

Ich komme gerade wirklich ins Grübeln: Viele Menschen sterben jeden Tag, im Iran tobt in diesem Moment eine erbitterte Schlacht um Freiheit und Gerechtigkeit. Und was machen wir? Nehmen es zu Kenntnis. Und machen weiter. Stirbt Michael Jackson, scheint für einen kleinen Moment die Zeit stillzustehen. Bei allem Respekt vor den Fans und der Familie des Verstorbenen, muss es erlaubt sein zu fragen, wie wir in unserer heutigen Welt die Prioritäten setzen. Spontane Versammlungen vor seiner Villa, vor dem Krankenhaus und überall auf der Welt. Menschen liegen sich in den Armen und weinen und singen. Irgendwie verrückt.

Die gefühlte emotionale Nähe zu MJ scheint hier ausschlaggebend zu sein. Was haben wir schon mit den Leuten in der Ferne gemeinsam, die sterben aber die wir nicht kennen? Natürlich kennt kaum einer von uns MJ, aber durch die medial suggerierte Nähe und ständige Verfügbarkeit kommt es einem so vor, als wäre er näher als man denkt. Die Geschichten, die sich um ihn ranken sind abstrus, verrückt und unglaublich – aber meines Erachtens ist das genau das Salz in der Suppe. Diese Möglichkeit, sich über MJ zu erzählen und genau zu wissen, der Gegenüber hat eine konkrete Vorstellung von was die Rede ist, macht diese Person relevant und interessant.

Ich folgere daraus für mich, dass ein entscheidender Faktor für die Erhöhung von Interesse und Aufmerksamkeit nicht nur die reine Information sondern vor allem die Geschichte „drumherum“ ist. Wer will sich nicht lieber einen Bericht in schillernden Farben im Vergleich zu einer nüchternen Schwarzweißaufnahme ansehen? Ob dieser Umstand richtig ist, sei dahingestellt. Ich denke, das wird man einfach so hinnehmen müssen. Die Herausforderung besteht aber darin, relevanten Inhalten, die auf den ersten Blick wenig „sexy“ erscheinen, einen schillernden Rahmen zu geben. Wirklich wichtige Botschaften könnten so beim Nutzer intensiver und vielleicht auch längerfristig wirken.

2 Kommentare zu “Thinking…

  1. In einem Punkt würde ich keinen Unterschied zwischen MJ und dem Iran machen. Wir (so pauschal lasse ich das mal stehen) lassen uns unglaublich durch die Medien in unserer Aufmerksamkeit lenken. Die Tragödien auf der Welt sind ja durchaus zahlreich, ob nun Einzelschicksal oder das Leiden von vielen, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Mein Eindruck ist, dass sich dabei kaum Gedanken darüber gemacht wird, sondern viele wie die Lemminge dem Tragikflow der Medien folgen. Dies bleibt dann vielleicht notwendiger Weise oberflächlich, wie das grüne Einfärben der Twitterbildchen. Eine wirklich Auseinandersetzung findet kaum sichtbar statt.

  2. taragramm sagt:

    Hallo Matthias.

    Ja, das stimmt schon. Aber man kann nun nicht gerade sagen, dass der Iran in den Medien zur Zeit unterrepräsentiert ist. Trotzdem geht man mit einer ganz anderen emotionalen Involviertheit an das Thema heran. Hier zeigt sich natürlich auch wieder der Unterschied zwischen „Qualitätsmedien“ und „Boulevardmedien“. Dass RTL noch am selben Tag Sondersendungen zu MJ schaltet, verwundert mich nicht besonders. Aber das ein Tod einer Einzelperson die Tagesagenda medienübergreifend dermaßen für sich beanspruchen kann, ist schon ein Phänomen. Und Solidarität zu zeigen, wie es mit Twitter gemacht wurde, ist ja an sich eine gute Idee. Bloß damit bleibt man, wie du richtig sagst, eben an der Oberfläche. Ich weiß auch nicht, wie man es als Einzelperson schafft, aus diesem Hamsterrad zu springen und reflektiert an solche Sachen ranzugehen. Mir persönlich hat die Beschäftigung im Blog zumindest einmal – quasi „materialisiert“ aufgezeigt, womit ich mich nicht anfreunden kann und will.

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